Montag, 20. November 2023

Haben die Armen grundsätzlich Anteil am SENSUS FIDEI?

 

Die Option für die Armen

198. Für die Kirche ist die Option für die Armen in erster Linie eine theologische Kategorie und erst an zweiter Stelle eine kulturelle, soziologische, politische oder philosophische Frage. Gott gewährt ihnen »seine erste Barmherzigkeit«.[1] Diese göttliche Vorliebe hat Konsequenzen im Glaubensleben aller Christen, die ja dazu berufen sind, so gesinnt zu sein wie Jesus (vgl. Phil 2,5). Von ihr inspiriert, hat die Kirche eine Option für die Armen gefällt, die zu verstehen ist als »besonderer Vorrang in der Weise, wie die christliche Liebe ausgeübt wird; eine solche Option wird von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt«.[2] Diese Option, lehrte Benedikt XVI., ist »im christologischen Glauben an jenen Gott implizit enthalten, der für uns arm geworden ist, um uns durch seine Armut reich zu machen«.[3] Aus diesem Grund wünsche ich mir eine arme Kirche für die Armen. Sie haben uns vieles zu lehren. Sie haben nicht nur Teil am sensus fidei, sondern kennen außerdem dank ihrer eigenen Leiden den leidenden Christus. Es ist nötig, dass wir alle uns von ihnen evangelisieren lassen. Die neue Evangelisierung ist eine Einladung, die heilbringende Kraft ihrer Leben zu erkennen und sie in den Mittelpunkt des Weges der Kirche zu stellen. Wir sind aufgerufen, Christus in ihnen zu entdecken, uns zu Wortführern ihrer Interessen zu machen, aber auch ihre Freunde zu sein, sie anzuhören, sie zu verstehen und die geheimnisvolle Weisheit anzunehmen, die Gott uns durch sie mitteilen will.

[1] Ders., Homilie während der Eucharistiefeier für die Evangelisierung der Völker in Santo Domingo (11. Oktober 1984), 5: AAS 77 (1985) 358.

[2] Ders., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 42: AAS 80 (1988), 572.

[3] Ansprache zur Eröffnung der Arbeiten der V. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik (13. Mai 2007), 3: AAS 99 (2007), 450.

 
 
 
 
Kommentar:
 
Der Sensus fidei ist nicht abhängig von Armut oder Reichtum, sondern von Taufe und Glaube. Natürlich sind getaufte Glaubende, die in Armut leben, nicht anders als getaufte Glaubende, die im Reichtum leben mit dem sensus fidelium fidei ausgestattet und nehmen teil am sensus fidei. Nicht aber, weil sie arm sind (oder reich), sondern weil sie glaubende Getaufte sind.
Arme, die nicht getauft und nicht glaubend sind, haben - wie Reiche, die nicht getauft und nicht glaubend sind - keinen Anteil am Glaubenssinn des Gottesvolkes.




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